11 | WAS WIR TUN Kautschukindustrie Mit einem weltweiten Umsatz von mehr als 200 Milliarden Euro (Deutschland: ~15 Mrd. Euro) zählt die Kautschukindustrie in allen Industrie- und Schwellenländern zu den wichtigsten Wirtschafts- zweigen. Mit ihren Erzeugnissen beliefert sie, hauptsächlich durch sogenannte Vorleistungsgüter, eine Vielzahl von Wirtschafts- und In- dustriezweigen, die daraus über 40.000 Produkte des industriellen und persönlichen Bedarfs herstellen. Kautschuk gilt als systemrelevanter Rohstoff, dessen Produktion kom- plex, langwierig und darüber hinaus geografisch eingeschränkt ist. Nicht zuletzt deshalb wurde er 2017 in die EU-Liste der Rohstoffe auf- genommen, deren Verfügbarkeit oberste Priorität hat. Es gibt keinen anderen nachwachsenden Rohstoff, der so wie Kaut- schuk mit fast jeder Industrie und jedem Lebensbereich verwoben ist. Seine konstant hohe und steigende Nachfrage wird denn auch vor allem durch das Wachstum einer immer länger lebenden und konsu- mierenden Weltbevölkerung bestimmt. Wirtschaftliche Schwankungen regionaler Art oder in spezifischen Branchen und Industrien haben nur einen geringen Einfluss auf die Nachfrageentwicklung des Kautschuks. Jährlich werden derzeit rund 30 Millionen Tonnen Kautschuk verar- beitet. Davon entfallen je etwa 15 Millionen auf Naturkautschuk und synthetischen Kautschuk. Da die Anforderungen an Kautschukprodukte stetig steigen, es jedoch nicht möglich ist, die Perfektion von Naturkautschuk synthetisch nach- zubilden, wächst der Anteil von Naturkautschuk kontinuierlich. Kein Den herausragenden, jedoch nur bedingt beeinflussbaren Eigenschaf- ten des Naturkautschuks steht synthetischer Kautschuk gegenüber, der im Labor durch Beeinflussung seiner Molekularstruktur zwar nicht gleich perfekt, aber dafür mit verschiedenen Wunschmerkmalen her- gestellt wird. Werden die beiden Rohstoffe gemischt, wie das bei den meisten Gum- miprodukten der Fall ist, entstehen nahezu vollendete Produkte für fast jede beliebige Anwendung und Anforderung. Sie erlauben etwa die Produktion von Reifen, die zwar hart sind, um den Rollwiderstand und damit den Treibstoffverbrauch zu minimieren, gleichzeitig aber auch griffig daherkommen, also eine relativ weiche Oberfläche haben, damit der Bremsweg kurz ist und sich nur ein minimales Fahrgeräusch ergibt. Vereinfacht kann gesagt werden: Je höher die Anforderungen an ein Endprodukt sind, desto mehr Naturkautschuk muss verwendet werden. So bestehen Flugzeug- und viele Lastwagenreifen fast ausschließlich aus Naturkautschuk, während die Abriebflächen von Pkw-Sommerrei- fen einen hohen Anteil an synthetischem Kautschuk aufweisen. anderes Produkt ist so zäh und gleichzeitig so elastisch wie dieser na- türliche Rohstoff. Sind es in den Siebzigerjahren des 20. Jahrhunderts erst 29 Prozent gewesen, beträgt der Anteil von Naturkautschuk am Gesamtverbrauch heute bereits über 48 Prozent. 70 % der Kautschuknachfrage entsteht in der Reifen- und Autoindust- rie. Allein um ein Auto mit Reifen zu bestücken, wird der jährliche Na- turkautschukertrag von bis zu fünf Kautschukbäumen benötigt. 30 % der weltweiten Kautschukproduktion gelangt in die TEE-Indus- trie (Technische-Elastomer-Erzeugnisse). Hier werden aus Kautschuk Produkte wie Gummi- und Schutzhandschuhe, Prothesen und Mem- branen für das Medizin- und Gesundheitswesen, Transport-, Wa- ren- und Kassenförderbänder, Handläufe für Fahrtreppen, Schläuche aller Art, Schnuller, Kondome, Dichtungen, Keilriemen, Gummistiefel, Schuhsohlen u. v. m. hergestellt. Um den aktuellen weltweiten Bedarf an Naturkautschuk decken zu können, wird auf einer Fläche so groß wie ganz Österreich jeden Tag von rund vier Milliarden Bäumen Naturkautschuk gewonnen. Nach Schätzungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) wird die Nachfrage nach Naturkautschuk bis 2026 auf über 18 Millionen Tonnen pro Jahr steigen. Um diese Nachfrage befriedigen zu können, werden neue Kautschukplantagen mit einer Gesamtfläche von bis zu zwei Mil- lionen Hektar mit über 800 Millionen Kautschukbäumen benötigt.